Podiumsdiskussion zum Fluglärm: "Man muss diese Situation nicht akzeptieren"

Zwischen Gewöhnung und Verzweiflung - in diesem Spannungsfeld bewegen sich die Anwohner der Air Base Ramstein. Sie leiden unter dem Fluglärm, haben aber das Gefühl, dass er unabänderlich ist. Auch in seinen durchaus verhinderbaren Momenten, etwa wenn ...

07.06.10 –

 

Zwischen Gewöhnung und Verzweiflung - in diesem Spannungsfeld bewegen sich die Anwohner der Air Base Ramstein. Sie leiden unter dem Fluglärm, haben aber das Gefühl, dass er unabänderlich ist. Auch in seinen durchaus verhinderbaren Momenten, etwa wenn die Motoren zu nächtlichen Probeläufen gestartet werden. Wie sich dieses Umfeld auf die Menschen auswirkt, damit beschäftigte sich am 31. Mai die Podiumsdiskussion "Fluglärm macht krank".

 

Über 60 Bürgerinnen und Bürger informierten sich bei der Veranstaltung in der Alten Eintracht in Kaiserslautern, zu der die Bürgerinitiative "Lautstark", die Bürgerinitiative gegen Fluglärm, Bodenlärm und Umweltverschmutzung, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kaiserslautern-Land, die ESG Kaiserslautern und die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingeladen hatten.


Wissenschaftlich erwiesen wurden Auswirkungen des Fluglärms auf die Gesundheit der Menschen von dem Arzt und Wissenschaftler Professor Eberhard Greiser. Seine epidemiologische Studie, die er anhand von Patientendaten im Umfeld des Flughafens Köln/Bonn gemacht hat, stellte die Rechtsanwältin und Ruhebeauftragte der Stadt Hattersheim, Joy Hensel, vor. Hensels These: "Es kann wissenschaftlich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Fluglärm und Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufs angenommen werden." Bei 55 Dezibel nachts - Werte, die rund um die Air Base Ramstein erreicht werden - steige für Herz- und Kreislaufkrankheiten bei Männern das Risiko um 42 Prozent. Noch schlimmer: Bei Frauen ab 40 Jahren werde es mehr als doppelt so hoch, steige es um 115 Prozent. „Das heißt: In diesen Gebieten steht statistisch bei Frauen im mittleren Alter mehr als jeder zweite Herzinfarkt in Zusammenhang mit der Lärmbelastung durch Flughäfen“.

 

Auch Markus Gröninger, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Verkehr der rheinland-pfälzischen GRÜNEN stellte fest: „Die Studie von Prof. Dr. Greiser belegt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen Herz- oder Kreislauferkrankungen bekommen, schon bei Werten eines Schallpegels ab 40 dB deutlich ansteigt“. Deswegen sind die GRÜNEN auf Landesebene gegen einen Ausbau von Regionalflughäfen und für ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr. Dies müsse weitestgehend auch auf Militärflughäfen übertragen werden.

 

"Lärm ist Stress", so der Hausarzt Dr. Eike Heinicke. Seit langem sei bekannt, dass Fluglärm die Stresshormone ansteigen lasse und damit das Immunsystem schwäche. Er beobachtet eine hohe Allergierate in seiner Praxis und weist auf die Umweltbelastung des Flughafens durch Abgase, Abwürfe und Schadstoffe im Boden hin. Zur Infragestellung der epidemiologischen Studie durch die Landesregierung bemerkte Dr. Heinicke: Die Studie sage nicht aus, wer geschädigt werde, sondern was schädige und das sehr deutlich. „Diese Studie ist in ihrer Aussage eindeutig und kann kaum überboten werden“.


"Der Schutz der Bevölkerung muss ein stärkeres Gewicht bekommen", so die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner, die die Veranstaltung moderierte. "Nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Akustik verursacht Fluglärm in Deutschland jährlich Kosten von 9 Milliarden Euro. Kosten, die die Bürger vor Ort zu tragen haben - etwa in Form von verminderten Grundstückswerten". Rößner nimmt die Anregung des Abends mit nach Berlin, eine Kosten-Nutzen-Rechnung für den Flughafen Ramstein durchzuführen, um die Diskussion zu objektivieren.

 

Vorstandssprecher Andreas Markus stellte die Position des Kreisverbandes BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kaiserslautern-Land vor. Die Präsenz des US-Militärs dürfe in der Region nicht weiter gefestigt werden und schon gar nicht mit weiteren deutschen Steuergeldern. Es müsse für die Menschen eine von der Air Base unabhängige wirtschaftliche Perspektive geben. Ein Flughafen in einer derart dicht besiedelten Region mit einer Einflugschneise mitten über einer Stadt mit 100.000 Einwohner, habe auf Dauer keine Daseinsberechtigung. Für die Fluglärmmessungen müssten die Standorte optimiert werden.

 

Doris Emrich, Vertreterin der Bürgerinitiative gegen Fluglärm, Bodenlärm und Umweltverschmutzung: „Es ist unverständlich und kann nicht hingenommen werden, dass militärischer Fluglärm im Vergleich zu zivilem als weniger belastend gewertet wird. Es ist unerlässlich, dass die Kriterien der Greiser-Studie auch bei Militärflughäfen Anwendung finden.“ Sie forderte die Anwohner auf, beim Thema Fluglärm nicht zu resignieren: "Nutzen Sie die Beschwerdetelefone! So zeigen Sie, dass Sie nicht alles erdulden."

Die Bürgerinitiativen unterhalten Lärmmessstationen, um die Lärmereignisse zu dokumentieren. Nach ihren Messungen geht der tatsächlich gemessene Lärm über den prognostizierten hinaus. In diesem Zusammenhang kritisierten die Bürgerinitiativen, dass  die öffentlichen Maßnahmen sich nur nach den prognostizierten Ereignissen und nicht nach der tatsächlichen Belastung richteten.

 

Auch lärmgeplagte Bürger unterstrichen an diesem Abend die Notwendigkeit zu handeln. Man hörte Aussagen wie "Bei uns wackeln nachts vom Bodenlärm die Schränke. Bei diesem niederfrequenten Schall helfen auch Lärmschutzfenster nichts." oder "Ich wache regelmäßig nachts auf. Bei schönem Wetter draußen auf dem Balkon sitzen, geht nicht. Das stresst mich."

 

Die Veranstaltung endete mit einem Aufruf der Bürgerinitiative `Lautstark´, ihre Unterschriftenaktion zu unterstützen.

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