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21.11.23 –
Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir müssen reden. Ich habe lange überlegt, was ich hier heute sagen soll. Manchmal bekommt man das Gefühl, dass man von Haushalt zu Haushalt eigentlich jedes Mal das Gleiche sagen könnte. Wir haben schon wieder unter extremen Anstrengungen den Haushaltsausgleich geschafft und wieder bekommt man nicht gerade den Eindruck, dass das von der ADD oder dem Land besonders goutiert wird.
Und doch sind einige Dinge anders als beim letzten Mal. Das Landesfinanzausgleichsgesetz entfaltet so langsam seine volle Wirkung und die Schuldenübernahme des Landes wird konkret. Bei der letzten Haushaltsverabschiedung habe ich mich darauf noch gefreut. Endlich hatten wir eine Perspektive, endlich hat man uns in unserer Not gesehen und es gab mal kurz sowas wie die Hoffnung auf ein Licht am Ende des Tunnels.
Heute wissen wir: Diese Gesetze tragen im Moment dazu bei, dass unsere Situation so aussichtslos und schwierig ist wie nie zuvor.
Verstehen Sie mich nicht falsch. Es ist richtig, dass das Land den hochverschuldeten Kommunen einen großen Teil ihrer Schulden abnimmt. Es war notwendig, dass das LFAG grundlegend überarbeitet wurde.
Aber wenn durch den Schuldenschnitt die KEF-Zahlungen und der Zinssicherungsschirm wegbrechen und wir uns zusätzlich verpflichten uns bis 2053 selbst vollständig zu entschulden, wenn wir 6 Mio Euro jährlich zur Tilgung in den Haushalt einstellen müssen, die Verpflichtungen und Mehrbelastungen hingegen im Landesfinanzausgleichsgesetz überhaupt nicht als Belastungen berücksichtigt werden, dann ist das ein Geburtsfehler dieses Gesetzes und damit das Gesetz dringend anzupassen.
Aber was hört man aus dem Innenministerium? Was hört man, wenn man den Landtagsdebatten zuhört? Die Kommunen müssen ihre Hausaufgaben machen.
Und dann schaue ich unserer Oberbürgermeisterin und unserer Chefin der Kämmerei mal kurz tief in die Augen und weiß auch nicht mehr ob ich lachen oder weinen soll.
Grundsteuererhöhung, Gewerbesteuererhöhung, Hundesteuer, Vergnügungssteuer, Anhebung der Parkgebühren und weitere Nutzungsentgelte gestiegen; zeitgleich eine saftige Inflation und die Krisen dieser Welt, die mittlerweile sehr deutlich bei uns angekommen sind und bewältigt werden müssen. Von all dem sind ja nicht nur die Kommunen betroffen oder andere staatliche Ebenen, sondern vor allem die Bürgerinnen und Bürger.
Wir haben unsere Haushalte auf Kosten der Menschen saniert, die in dieser Stadt leben. Das ist auch okay, denn so funktioniert ein Solidarsystem. Dafür versuchen wir als gewählte Vertreterinnen und Vertreter, das Geld möglichst sinnvoll einzusetzen, damit die Menschen in dieser Stadt wichtige Leistungen erhalten.
Aber jetzt nach allen Bemühungen, nach Jahren der Kürzungen, die wir selbst vornehmen mussten, nach mehreren Erhöhungen von Steuern und Gebühren, jetzt soll das alles schon wieder nicht genug gewesen sein. Und das obwohl Kaiserslautern als sowas wie ein Musterschüler in Puncto Haushaltsführung gesehen werden kann.
Wir halten uns an die Regeln, wir sind den Forderungen der ADD gefolgt, immer mit dem Ziel einer soliden Finanzausstattung, einer seriösen Planung und dem Abbau unseres Schuldenberges.
Jetzt und heute ist aber der Punkt gekommen, an dem wir einmal aussprechen müssen, was es auszusprechen gilt: Wir sparen uns kaputt. Es gibt in diesem Land eine Transformationsnotwendigkeit, die wir nicht mehr länger leugnen können.
Das Klima schützen, damit wir nicht Hitzesommer nach Hitzesommer in einem Überbietungswettbewerb erleben, damit unser Grundwasserpegel nicht noch weiter gefährlich sinkt und wir unsere Lebensgrundlagen schützen können; die Stabilisierung der Wirtschaft, die nach zwei Pandemiejahren und dann einem plötzlich ausgebrochenen Krieg in unserer Nachbarschaft schwer zu kämpfen hatte. Wir müssen uns in Rekordzeit unabhängig machen von fossilen Energien UND autoritären Regimen, die uns erpressbar machen. Wir müssen nach dem Schock der Inflation soziale Gerechtigkeit wieder herstellen und zwar nicht indem wir nach unten treten und Menschen im Bürgergeldbezug ihr Existenzminimum streitig machen, sondern indem wir für gute Arbeitsbedingungen sorgen und Rahmenbedingungen schaffen, unter denen Menschen auch arbeiten gehen können.
Wir haben das als Stadt erkannt und deshalb trotz aller Kürzungen natürlich weiterhin beschlossen, dass wir in den Ausbau der Kitaplätze investieren, dass wir unseren Nahverkehr ausweiten wollen, wir haben eine Stelle geschaffen, die sich primär darum kümmern wird, Verkehrsinfrastruktur vor allem für Radfahrende und Fußgängerinnen und Fußgänger zu schaffen und zu optimieren, damit Wege in dieser Stadt für alle endlich sicher werden. Wir haben das Referat Digitalisierung verankert, dass uns hoffentlich in der Effektivität und Verschlankung von Prozessen genauso wie in der Transparenz und Bürgerfreundlichkeit voranbringen wird. Wir gehen die kommunale Wärmeplanung an, die vielen Menschen Planbarkeit verschaffen wird und das wichtige Thema des klimaneutralen Heizens endlich angeht.
Das und vieles Weitere sind wichtige Investitionen, die wir nicht einfach unterlassen können, wenn wir zukunftsfähig bleiben wollen. Denn die Zukunft wartet nicht darauf, dass wir uns entschuldet haben. Sie verlangt jetzt beherztes Handeln und mutige Investitionen.
Wenn wir nicht abgehängt werden wollen und unseren Bürgerinnen und Bürgern Sicherheit, Perspektive und eine lebenswerte Stadt bieten wollen, müssen wir dem Land und dem Bund gegenüber sehr deutlich werden.
Es kann nicht sein, dass der Schuldenschnitt für hochverschuldete Kommunen zwar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht, es aber um dieses Vorhaben ganz leise geworden ist.
Ich weiß, und wir alle wissen vermutlich, dass auch das Land und auch der Bund stellenweise große Probleme mit der Finanzierung ihrer eigenen Haushalte haben. Aber es kann nicht sein, dass es im Zweifelsfall immer die unterste Ebene, die Kommunen sind, die dann das Nachsehen haben.
Wir sind die konkreteste Ebene, wir sind nah an den Menschen und ein Versagen oder auch nur ein Schwächeln dieses Staates wird als erstes hier vor Ort bemerkt.
Dazu darf es nicht kommen.
In unser aller Interesse.
Wir wissen, wir brüchig manchmal das Fundament erscheint, auf dem diese Demokratie gegründet ist. Wir müssen dafür sorgen, dass diese Grundlage, dieses Fundament gestärkt wirkt. Die Leute müssen ins Bürgercenter gehen können, Bauarbeiten auf den Straßen zuschauen, Anträge an ein Amt stellen und das Gefühl haben, dieser Staat funktioniert und er ist für mich da.
Und weil wir das alles nicht allein schaffen können, weil das auch das Land und auch der Bund nicht allein schaffen können, brauchen wir dringend einen ehrlichen Dialog darüber, ob alle Prozesse und Finanzierungsmodelle in unserem föderalen System wirklich effektiv und fair gestaltet sind. Ich glaube, wenn wir uns die Mühe machen würden, auch etwas grundlegender Dinge zu hinterfragen und Prozesse auch grundlegend neu zu denken und anzupassen, hätten wir die Chance für alle staatlichen Ebenen Entlastung, Planbarkeit und Effizienzsteigerungen zu erreichen.
Eine schwarze Null ist ein hehres und sinnvolles Ziel. Aber sie darf niemals zum Selbstzweck werden. Und die Debatten, die wir gerade überall in diesem Land über Entschuldungsprogramme und Schuldenbremsen führen, sind aus meiner Sicht nicht immer ehrlich geführt worden.
Eine schwarze Null, egal wie sinnvoll sie sein mag, hat immer ihren Preis.
Und wir müssen endlich anfangen, ehrlich zu beantworten, wo das Geld denn in Zukunft herkommen soll. Sollen Projekte gestrichen werden und wenn ja, welche? Soll an der Infrastruktur gespart werden und an welcher? Sollen Leistungen für Bürgerinnen und Bürger gekürzt werden und wenn ja, welche? Oder erhöhen wir Steuern und Abgaben und auch da stellt sich die wichtige Frage, welche? Welche Steuern können sinnvoll erhöht werden, ohne zu sozialen Härten zu führen und ein Ungerechtigkeitsgefühl in der Bevölkerung zu befördern?
Das sind die wichtigen Fragen, die man sich immer auch stellen muss, wenn es darum geht, in Zeiten von enormen Herausforderungen und Investitionsbedarf einen bestimmten Finanzrahmen einzuhalten.
Und genau diese Debatte kann nicht und niemals alleine auf kommunale Verantwortungsträgerinnen und -träger abgewälzt werden, die am Ende nur Belastungen erhöhen können, die wieder alle Menschen ungeachtet ihrer Situation gleichermaßen betreffen.
Wir müssen also reden.
Und eine Sache möchte ich hier den engagierten Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern im Stadtrat mitgeben. Wir haben so viel gekämpft und so viel gearbeitet, um diese Stadt handlungsfähig zu machen. Und ich weiß, dass man manchmal kurz davor ist, die Flinte frustriert ins Korn zu werfen und am liebsten der ADD sagen möchte, „dann macht es doch selbst“. Ich verstehe, dass man sich nicht an vorderster Front für alle Schwierigkeiten und finanziellen Belastungen verantwortlich machen lassen will, wenn man jeden Tag dafür arbeitet, dass wir in dieser Stadt den Kopf wieder über Wasser bekommen.
Wir stehen jetzt wieder kurz vor einer Kommunalwahl und es ist mir wichtig zu sagen, dass wir alle gemeinsam bei aller Frustration doch auch schon wirklich viel geschafft haben. Wir haben unseren Haushalt mal wieder konsolidiert, wir haben es wieder geschafft, dass die Ratsfraktionen und die Verwaltung gemeinsam sehr diszipliniert und eng zusammengearbeitet haben, für das Wohl dieser Stadt und der Menschen, die in ihr Leben.
Und jedem, der hadert, ob er sich dieses Ehrenamt wirklich zumuten will, möchte ich Mut machen.
Es braucht Menschen wie uns, die bereit sind Kompromisse einzugehen und sich für ein großes Ganzes zu engagieren.
Es braucht Menschen, die bereit sind, ihre Zeit zu Opfern, um die Welt ein bisschen besser zu machen.
Es braucht Menschen, die standhaft bleiben und weiter an Lösungen arbeiten, weil sie an etwas glauben.
Deshalb hoffe ich, dass dieser Haushalt heute mit Wut im Bauch und Stolz im Herzen von uns allen verabschiedet wird.
Meine Fraktion wird das auf jeden Fall so tun.
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