Gemeinsame Position zur Windkraft

02.06.21 – von Jochen Marwede –

Die Kreisverbände und Kreistags-Fraktionen von Bündnis90 / Die Grünen in den Landkreisen Kaiserslautern und Südwestpfalz sehen die Klimakrise genau wie die sinkende Biodiversität als existentielle Herausforderungen, denen mit hoher Dringlichkeit begegnet werden muss. Angesichts der sich abzeichnenden folgenschweren Auswirkungen der Klimakrise auf unsere Zukunft ist dies ausdrücklich auch ein Thema der Generationengerechtigkeit. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner wegweisenden Entscheidung betont, „dass nicht einer Generation zugestanden werden darf, unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des noch verbleibenden CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine […] radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben schwerwiegenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde.“

Wie groß ist die Herausforderung? Gegenwärtig wird der Strombedarf der Westpfalz von 3,3 TWh pro Jahr in etwa zur Hälfte mit Erneuerbaren Energien gedeckt. Zur 100%-igen Deckung des aktuellen Strombedarfs ist also eine Verdoppelung der gegenwärtigen Kapazitäten notwendig. Für eine CO2-freie Wärmeerzeugung und den Verkehr ist ein weiterer signifikanter Ausbau der Erneuerbaren Stromerzeugung erforderlich, um Klimaneutralität zu erreichen. Schlüsseltechnologien in Sachen Energieerzeugung sind dabei die Solarenergie und die Windkraft. Insbesondere die Windkraft wird jetzt wieder kontrovers diskutiert.

Windkraft ist immer mit Eingriffen in die Natur und unsere Lebensräume verbunden. Die Abwägung dieser Faktoren geschieht in umfangreichen Genehmigungsverfahren, und es sind keineswegs alle Standorte geeignet. Auf Grund von Natur- und Artenschutz wollen wir Grüne bei der Nutzung von Windkraft im Wald eine besonders sorgfältige Abwägung vornehmen. Bei dieser binden wir selbstverständlich die anerkannten Naturschutzverbände sowie die Menschen vor Ort in die Entscheidungsfindung mit ein. Um der Klimaschutz Herausforderung gerecht zu werden, müssen aber alle Standorte, die objektiv geeignet sind, genutzt werden.

Die Behauptung, dass der eine für eine Windkraftanlage benötigte Hektar Wald ebensoviel oder gar mehr CO2 speichert als eine Windkraftanlage vermeidet, ist u.a. durch Zahlen des Umweltbundesamt (UBA) widerlegt. Eine Windkraftanlage durchschnittlicher Größe und Ertragskraft führt zu einer CO2 Vermeidung von rund 4.000 t CO2 pro Jahr, eine neue kompensiert sogar über 7.000 tCO2 pro Jahr. Ein Hektar Wald nimmt laut UBA 10 bis 13 tCO2 pro Jahr auf. Je nach Windkraftanlage wird also 300 bis 700 mal mehr CO2 vermieden als durch den dafür benötigten Hektar Wald. Das Argument, dieser Hektar Wald trage mehr zum Klimaschutz bei als eine Windkraftanlage ist also sachlich nicht haltbar.

„Wir tun doch schon genug.“ Angesichts der derzeit installierten Windkraft-Leistung in der Westpfalz von 820 MW hilft es wenig, wenn der Vorstand der Planungsgemeinschaft Westpfalz auf ein ausgewiesenes Flächenpotential für 250 MW verweist. Der Dimension der Herausforderung wird ein Aufwuchs um 250 MW, oder 30%, offensichtlich nicht gerecht. Je nach angestrebtem Energiemix, Effizienzsteigerungen, Suffizienzgewinnen und eingesetzten Anlagengrößen ist keine Vervierfachung der Anlagenzahlen notwendig, aber sehr deutlich mehr als 30%.

Es wird vorgetragen, aus dem Wald würde „ein Industriegebiet“. Auch dieses Argument hält einer sachlichen Analyse nicht stand. Es werden in größerem Abstand Lichtungen geschaffen und einige Wege verbreitert. Keineswegs wird „der Wald völlig zerstört“. Völlig zerstört wird der Wald durch Trockenheit und Borkenkäfer, wenn wir beim Klimaschutz nicht ausreichend vorankommen.

Gerne würden wir uns ersparen, in der Ferne Windkraftanlagen zu sehen. Das ist für viele ein Eingriff, den man lieber nicht hätte. Aber wie schwer wiegt dieser Eingriff im größeren Bild?

Und was ist mit dem Biosphärenreservat Pfälzerwald? Dass Kern- und Pflegezonen von der Windkraftnutzung ausgenommen werden, ist und bleibt unumstritten. Der besondere Schutzzweck der Entwicklungszonen im Pfälzerwald ist jedoch gerade, modellhaft ökologisch, ökonomisch und sozio-kulturell nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweisen zu demonstrieren. Das kann aus unserer Sicht nur mit einer in der Region verwurzelten und integrierten Energieversorgung aus regenerativen Quellen gelingen. Ein Biosphärenreservat mit dem Ziel, nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweisen aufzuzeigen, kann nicht von außen mit Braunkohle-, Atomstrom oder Rohöl versorgt werden, oder alle Lasten einer regenerativen Energieversorgung auf die umliegenden Regionen schieben.

Auch das MAB Komitee (das Man and Biosphere – Komitee wacht über den Status des Pfälzerwaldes als Biosphärenreservat) schließt im „Positionspapier des MAB-Nationalkomitees zur Nutzung von Windkraft und Biomasse in Biosphärenreservaten“ aus dem Jahr 2018 Windkraft in den Entwicklungszonen des Biosphärenreservates keineswegs kategorisch aus, setzt aber strenge Kriterien. An diese Kriterien werden auch wir Grüne uns selbstverständlich halten. Windkraft, die den Biosphärenreservats-Status in Frage stellt, werden wir nicht billigen. Von daher ist klar, dass im Biosphärenreservat besondere Schutzanforderungen gelten müssen, und die Abwägung besonders vorsichtig zu treffen ist. Hier können technische Verfahren, wie zum Beispiel Platz-sparende Turmkräne und besondere Transportfahrzeuge für die Rotorblätter zusätzlich zur Reduktion von Rodungsflächen beitragen.

Angesichts der großen Herausforderungen im Klimaschutz sind wir der Meinung, dass wir die Balance zwischen der heute praktizierten relativ milden Form der Reduktionslast angesichts der radikalen Reduktionslast, die dann die nachfolgenden Generationen trifft, neu diskutieren und bewerten müssen.

 

Für die Kreisverbände und Kreistags-Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Landkreisen Kaiserslautern und Südwestpfalz

Kreisverband Bündnis90 / Die Grünen Südwestpfalz

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