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03.11.20 –
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Bürgerinnen und Bürger,
es gibt vermutlich schönere und einfacherere Sachen als einen Doppelhaushalt für die Stadt Kaiserslautern aufzustellen. Wir alle wissen, dass die finanzielle Lage der Stadt erdrückend ist. Wir alle wissen, dass die ADD von uns strengste Haushaltsdisziplin verlangt. Wir alle wollen realistisch und seriös planen und sorgsam mit den Steuergeldern der Bürgerinnen und Bürger umgehen.
Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass wir als Kommune nicht allein für unsere prekäre Haushaltslage verantwortlich gemacht werden können. Die Schlüsselzuweisungen von Land und Bund sind viel zu gering, das Konnexitätsprinzip wird nicht eingehalten und unsere Altschuldenberge sind so erdrückend, dass klar ist, dass wir aus dieser Situation niemals aus eigener Kraft herauskommen können.
Trotz dieser enormen Herausforderungen ist es uns allen gemeinsam gelungen, einen Haushalt aufzustellen, der das geringste Defizit seit vielen Jahren ausweist und trotzdem einen größeren Spielraum als üblich für politische Schwerpunktsetzungen zugelassen hat.
Das ist eine Entwicklung, die nicht nur erfreulich ist, sondern bitter nötig war. Denn wir alle in dieser Verwaltung sind vor allem eins: Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt. Und genau das muss noch viel mehr als bisher unser Selbstverständnis prägen.
Wir dürfen uns nicht nur in unserem kleinen Verwaltungskosmos bewegen. Es ist nicht so, “dass die ja was von uns wollen”. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf in diesem Haus freundlich und serviceorientiert behandelt zu werden. Sie haben ein Recht darauf, mit ihren politischen Vertreterinnen und Vertretern zu sprechen und Dinge zu fordern – und zwar immer und nicht nur kurz vor einer Wahl. Und vor allem haben Sie ein Recht darauf, dass ihre Probleme tatkräftig angepackt werden. Das ist der Grund, wieso wir alle hier sind und dem müssen wir Rechnung tragen.
Für den Haushalt bedeutet das zwei wesentliche Dinge: Es bedeutet zum Ersten, dass sich eine gute Haushaltsführung dadurch auszeichnet, dass bedacht und niemals verschwenderisch mit dem Geld aus Steuereinnahmen und anderen Abgaben umzugehen ist. Wir als Rat sind in diesem Punkt ein entscheidendes Kontrollgremium. Bei allem Vertrauen, was dieser Rat auch zur Restverwaltung haben darf: Es ist unsere Aufgabe Mittelbereitstellungen und auch Stellenschaffungen kritisch zu hinterfragen. Die Problemstellungen müssen also notwendigerweise bereits im Vorfeld herausgearbeitet und in den Zusammenhang gebracht werden, dass es für uns ehrenamtliche Ratsmitglieder verständlich und nachvollziehbar ist. Zum einen ist der Personalschlüssel natürlich eine wichtige Kennzahl, zum anderen spielen aber auch Arbeitsprozesse, die Möglichkeit der Digitalisierung und Führungskompetenzen eine entscheidende Rolle. All diese Dinge müssen kritisch geprüft und zusammengedacht werden, um Arbeitsprozesse effektiv zu gestalten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten und Bürgerinnen und Bürgern in ihren Ansprüchen gerecht zu werden.
Zum Zweiten zeichnet sich eine gute Haushaltsführung aber auch dadurch aus, dass nicht an den falschen Stellen gespart wird. Auch hier muss sichergestellt werden, dass unsere öffentlichen Gelder immer und ausschließlich dem Wohle der Allgemeinheit zugutekommen. Die Lebensqualität in dieser Stadt muss auf allen Ebenen und ausnahmslos für alle Bürgerinnen und Bürger geachtet, geschützt und verbessert werden.
Wie stellt man sowas jetzt an, in einer Zeit, die so massiv von Umbrüchen und Krisen gezeichnet ist, wie unsere? Genau das ist zum einen das Herausfordernde und zum anderen auch das Schöne an Politik. Wir – als demokratische Gesellschaft – haben doch die Zügel in der Hand. Wir können selbst bestimmen, wie wir auf Krisen reagieren, wie wir aus ihnen lernen und wie wir sie in Zukunft verhüten. Das erfordert aber wache Politiker und Menschen, die bereit sind, Konsequenzen zu ziehen. Der Grund, warum wir von einer Krise in die nächste schlittern, ist nicht zuletzt, dass wir viele Probleme zwar kennen und sehen, aber zu bequem, zu uneinsichtig oder zu-irgendwas sind, um die notwendigen Schritte zur Verhinderung auch wirklich zu gehen. Wir müssen vorausschauender handeln und nicht nur von Wahlperiode zu Wahlperiode.
Vor fast 42 Jahren fand die erste Weltklimakonferenz statt. Wo könnten wir heute stehen, hätte man die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler damals schon ernst genommen?
Seit drei Jahren haben wir hier in Kaiserslautern jetzt wenigstens einen Plan, wie wir bis 2050 nahezu klimaneutral werden können. Wenn wir jetzt mal davon absehen, dass wir nach dem aktuellen Stand der Klimaforschung 20 Jahre schneller sein müssten als geplant, haben wir trotzdem noch ein ganz anderes Problem: Papier ist geduldig und die konkrete Umsetzung hinkt hinterher.
Deshalb haben wir 180.000 Euro zusätzlich in den Haushalt eingestellt, um konkreten Maßnahmen aus dem Masterplan Anschub zu leisten und die Umsetzung damit zu beschleunigen. Wir haben 100.000 Euro im Jahr zusätzlich für die Neupflanzung von Bäumen und Fassadenbegrünung öffentlicher Gebäude in den Haushalt verhandelt. Und wir wollen mit 160.000 Euro zusätzlich den Ausbau unserer Fahrradinfrastruktur entschieden voranbringen. Damit kann die Fahrradstraße Augustastraße-Parkstraße endlichen kommen. Und mit der Überplanung der Trippstadterstraße zu Gunsten des Radverkehrs kommen wir unserem Ziel, eine zusammenhängende und attraktive Radachse Uni- Volkspark zu haben, ein großes Stück näher. Auch die Radwegenetzplanung um die Fußgängerzone kann umgesetzt werden und in der Pariserstraße schaffen wir endlich den langersehnten Lückenschluss, um auch hier eine durchgängige Achse zu haben. Außerdem werden von dem Geld zusätzliche Fahrradabstellanlagen an Schulen und Fahrradboxen in der Stadt geschaffen, die das Fahrradparken bequemer und sicherer machen sollen. Auch der von uns lang geforderte Nahverkehrsplan findet sich in einem Haushaltsposten wieder. Dieser soll konkrete Ergebnisse dazu bringen, wie wir unser Busnetz fit für die Zukunft machen, wie wir Bus und Bahn anständig verzahnen, wie wir Wege kürzer und Fahrten schneller hinbekommen – wie wir also unseren ÖPNV so attraktiv gestalten, dass es sich für die Leute auch lohnt, das Auto stehen zu lassen.
Denn der Klimakrise ist es völlig egal, dass wir pleite sind. Es ist ihr völlig egal, dass Verwaltungen langsam arbeiten und Politik oft träge ist. Wenn wir diese Krise ernst nehmen und ihr etwas entgegensetzen wollen, dann müssen wir besser sein als wir es je zuvor waren.
Kaiserslautern darf nicht die Stadt der großen Pläne bleiben; Kaiserslautern muss die Stadt der großen Verwirklichungen werden!
Und das Verschlafen der Klimakrise ist nur ein Beispiel von vielen – wenn auch ein sehr existenzielles und gravierendes. Und deshalb ist es auch nicht okay und schon gar keine Bagatelle, Herr Oberbürgermeister, wenn Fraktionsanträge in diesem Hause bis zum Sankt-Nimmerleinstag verschoben werden. Die Arbeit der Fraktionen zielt nämlich genau darauf ab: Probleme zu lösen und krisenfest zu werden. Wir sitzen nicht umsonst in diesem Rat und wir investieren nicht umsonst Unmengen an ehrenamtlicher Zeit. Wir vertreten die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt mit ihren Anliegen und es ist eine Frage des demokratischen Selbstverständnisses und des Respekts, diese Anliegen auch ernst zu nehmen.
Im Gegensatz dazu ist es hier in Kaiserslautern leider offenbar Usus, dass Bauleitplanungen zu Gunsten von Investoren vorangetrieben werden, die das Klimaanpassungskonzept ad absurdum führen, keinen städtebaulichen Gesamtplan erkennen lassen und meistens noch nicht einmal einen nennenswerten Beitrag zu bezahlbarem Wohnraum leisten. Und wenn im Rat diese Mängel benannt und kritisiert werden, wird einem eine Verhinderungspraxis vorgeworfen. Es wird mit Sachzwängen argumentiert, die aber auch mal ganz gerne selbst herbeigeführt werden. Zuletzt erst geschehen bei der Gewerbeansiedlung von Amazon, wo eine wertvolle Gewerbefläche am Rat vorbei verkauft wurde und bei der neue Arbeitsplätze und Gewerbesteuereinnahmen in keinem Verhältnis zu der riesigen Fläche stehen, die dafür geopfert wurde.
Diese Stadt darf keine Entscheidungen mehr treffen, ohne dass der gesellschaftliche Mehrwert klar beschrieben ist!
Aber um diese Entscheidungen dann auch umsetzen zu können, müssen wir als Kommune handlungsfähig sein. Deshalb haben wir Geld in den Haushalt eingestellt, um strategisch wichtige Flächen für die Stadtentwicklung auch kaufen zu können. Es nutzen uns die schönsten Bürgerbeteiligungsprozesse nichts, wenn wir am Ende keinen Zugriff auf die Flächen haben, die laut der Bürgerinnen und Bürger wichtig wären, um ihren Stadtteil lebenswert zu entwickeln. Die Entwicklungen am Einsiedlerhof dürfen sich nicht wiederholen. Gerade für die weitere Entwicklung dieses Stadtteils und auch für die wichtige Entwicklung des Fischerrücks ist es von enormer Bedeutung, dass wir uns als Stadt Zugriff auf Flächen sichern können, um die Umsetzung der Bürgerbeteiligungen auch zu gewährleisten. Genauso muss jede Fläche, die wir veräußern wollen, kritisch hinterfragt werden. Alternative Modelle wie die Erbpacht müssen wieder eine größere Rolle spielen, wenn wir auch langfristig Erweiterungen - zum Beispiel der Universität und der Hochschule - städtebaulich sinnvoll lenken wollen und verhindern wollen, dass wichtige Standbeine Kaiserslauterns so eingebaut sind, dass am Ende nur noch das Ausweichen in den Wald oder auf die Wiese möglich ist.
Genauso müssen wir handlungsfähiger werden, was die Durchgriffsrechte bei unseren Tochterunternehmen angeht. Die Bau AG, die SWK, das Klinikum und all die anderen Tochterunternehmen sind wichtige Player bei der Umsetzung nachhaltiger Lösungen für unsere Stadt. Auch sie sind dem Gemeinwohl verpflichtet und müssen sich auch so verhalten.
Denn in Kaiserslautern sind nicht nur die Kassen der Stadt klamm. Auch viele Bürgerinnen und Bürger sind finanziell stark belastet. Diese Menschen sind darauf angewiesen, dass wir als Stadtpolitik sie nicht vergessen. Es ist eine unserer großen Aufgaben, für Menschen zu sorgen, die auf Grund ihrer Lebensumstände nicht immer in der Lage sind, das selbst zu tun. Besonders Kinder und Jugendliche brauchen unseren Schutz und unsere Unterstützung, um ihre Potentiale zu entfalten. Sie dürfen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten nicht durch ihre Herkunft oder ihr Elternhaus beraubt werden.
Dafür brauchen sie vertrauenswürdige Ansprechpartner, die niedrigschwellig zu erreichen sind. Die zusätzliche Schaffung von Streetworker-Stellen und der Ausbau der Schulsozialarbeit auf zwei zusätzliche Schulen pro Jahr, sind aus unserer Sicht wichtige Bausteine dafür, die wir in diesem Haushalt verankern konnten.
Elternunabhängige Bildung und Teilhabe sind für uns Schlüsselbegriffe, wenn es um die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft geht. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, die ermäßigte Verpflegungspauschale für Kitakinder komplett als Stadt zu übernehmen. Viel zu oft haben wir die Geschichten aus den Kitas gehört, wo Eltern den Essensbeitrag nicht bezahlt haben. Das Kindergartenpersonal hätte die Kinder also vom Essen ausschließen müssen. Ein gesundes und warmes Mittagessen sollte in unserer Gesellschaft aber das Mindeste sein, was wir wirklich jedem Kind ohne Einschränkungen zur Verfügung stellen müssen.
Teilhabe und Selbstbestimmung sind auch für ältere Menschen in Kaiserslautern ein zentrales Thema. Immer mehr Menschen sind im Alter allein, brauchen Unterstützung und tun sich schwer, herauszufinden, welche Hilfen es gibt und welche sie eventuell in Anspruch nehmen können und wollen. Das Modell der Gemeindeschwester + hat sich genau hier in den letzten Jahren bestens bewährt. Ältere Menschen können von ihr beraten werden und selbstbestimmt und gut informiert entscheiden, wie sie ihren Alltag gestalten. Da wir vielen Menschen diese Möglichkeit bieten wollen, haben wir nicht nur die Verstetigung der Stelle erreichen können, sondern gleich eine zweite Stelle für eine Gemeindeschwester + geschaffen. So kann der Wirkungsbereich auf weitere Stadtteile ausgeweitet werden und mehr Menschen können davon profitieren.
Als letztes großes Projekt ist auch uns der Astern- und Geranienweg ein Herzensanliegen. Seit Jahrzehnten schafft es diese Stadt nicht, dort menschenwürdige Lebensverhältnisse zu schaffen. Wir wissen, dass die Situation nicht ganz einfach ist und dass sich viele schon daran versucht haben, etwas zu verändern. Aber die Zustände dort sind ein Armutszeugnis für unsere Stadt und das haben die Menschen, die dort leben, einfach nicht verdient. Wir planen und entwickeln deshalb innerhalb der Koalition schon seit einiger Zeit nachhaltige Lösungsstrategien, die wir in diesem Haushalt auch mit 2 Mio. Euro unterlegen konnten und hoffen, dass es diesmal wirklich gelingt, die Missstände zu beseitigen.
Kaiserslautern lebt von der Vielfalt seiner Menschen, die sich doch alle hier zuhause fühlen. Kaiserslautern lebt vom Engagement dieser Menschen und der Liebe zu ihrer Stadt. Das sind unglaubliche Potentiale, die wir nutzen können, um gemeinsam immer weiter an dieser Stadt zu arbeiten und sie noch lebenswerter zu machen.
Lasst uns offen dafür sein. Lasst uns Spaß haben, die Dinge in Kaiserslautern anzupacken. Lasst uns Freude daran entwickeln, schneller, klüger und vorausschauender zu sein als die nächste Krise. Lasst uns miteinander streiten, ohne den Respekt voreinander zu verlieren. Und lasst uns eine Kultur entwickeln, in der man offen über Fehler sprechen kann und Entscheidungen transparent und nachvollziehbar macht. Für unsere Zusammenarbeit, aber auch für die demokratische Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger. Lasst uns niemals vergessen, für was und für wen wir hier sind.
All das und nicht weniger ist unsere Aufgabe für die nächsten Jahre. Dieser Haushalt bildet ein gutes Fundament. Deswegen werden wir ihm zustimmen.
Vielen Dank.
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Tel.: 0631 / 68500 oder 365-2403
Fax: 0631 / 68925
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