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20.11.12 –
Der gewaltfreie und erfolgreiche Widerstand gegen einen Truppenübungsplatz im südfranzösischen Larzac, die Verhinderung des Atomkraftwerks im badischen Wyhl durch bürgerlichen Ungehorsam und viele andere gewaltfrei ausgetragene Konflikte haben ihn ermutigt, ein halbes Leben lang für Methoden, Konzepte und Strategien der Gewaltfreiheit einzutreten. Nicht zuletzt die von den Menschen in der DDR erzwungene deutsche Wiedervereinigung, die er als Geschenk empfindet, habe gezeigt, dass schwer bewaffnete Regime ohne Gewalt überwunden werden können. In einigen dieser Bewegungen hat er sich selbst engagiert, zeitweise war er vorbestraft wegen „Sitzens am richtigen Platze“ wie er etwas mokant seine Teilnahme an Sitzblockaden vor Militäranlagen, auch in der Westpfalz, nennt.
Die Rede ist von Roland Vogt, einem langjährigen Mitstreiter der westdeutschen und westeuropäischen Ökologie- und Friedensbewegung. Befragt haben ihn Dr. Christoph Becker-Schaum und Robert Camp vom „Archiv Grünes Gedächtnis“ der Heinrich-Böll-Stiftung. Sie waren eigens von Berlin nach Kaiserslautern gekommen, um Vogt im Zeitzeugengespräch auszufragen.
Warum Kaiserslautern? Unser Zeitzeuge hatte sich selbst aussuchen dürfen, wo das Gespräch stattfindet. In der engeren Wahl waren die Berlin-Brandenburger Region und die Westpfalz. In Brandenburg hatte Vogt nach der Wiedervereinigung 15 Jahre lang als Konversionsbeauftragter der Landesregierung gearbeitet. In seiner Freizeit hatte er wesentlich dazu beigetragen, dass regionale Bürgerinitiativen einen von der Bundeswehr geplanten Luft-Boden-Schießplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide - in einem 18 Jahre dauernden mit allen Registern geführten gewaltfreien Widerstand - verhindern konnten. Das, so Vogt, “ ist nun erfolgreich abgeschlossen, dagegen gibt es in der Westpfalz noch viel zu tun“.
Fatal sei es, so Vogt, wenn nun die massive Militärpräsens der US-Streitkräfte und der NATO auf Dauer gestellt werde, etwa durch das Hauptquartier des Raketenabwehr-systems in Ramstein oder ein neues Militärhospital in Weilerbach. Vogt tritt für einen planvollen Abbau militärischer Einrichtungen bei gleichzeitig massiver Förderung ziviler Alternativen ein.
Er hatte bereits 1983, als er als erster grüner Abgeordneter aus Rheinland-Pfalz in den Bundestag gewählt wurde, das Projekt „ Regionale Konversion Westpfalz“ mit Sitz in Kaiserslautern gegründet.
Denn es waren die GRÜNEN aus Kaiserslautern, die ihn zum Direktkandidaten im hiesigen Wahlkreis gewählt und für die rheinlandpfälzische Landesliste nominiert hatten. Mit dem Projekt Regionale Konversion hatte er einen Stein ins Wasser geworfen, der Kreise zog. Als nach Ost-West-Entspannung, Abrüstung und Wiedervereinigung die Zeit reif für den Truppenabbau war, war Konversion wenigstens hier kein Fremdwort. In der Region wurden einige erfolgreiche Konversionsprojekte auf den Weg gebracht und die Stadt Kaiserslautern übernahm dann auch die Federführung im EU-geförderten „Network Demilitarised“. Roland Vogt wiederum sorgte dafür, dass das Land Brandenburg als einziges ehemaliges Warschauer Pakt-Gebiet diesem westeuropäischen Netzwerk beitrat und so fruchtbare Vergleiche zwischen Konversion West und Konversion Ost möglich wurden.
Zur Entwicklung der GRÜNEN befragt, übte Vogt heftige Kritik an den Bundesgrünen. Dass die von ihm mit gegründete „Partei der Gewaltfreiheit“, kaum dass sie mitregieren durfte, Militäreinsätze im Ausland mit verantwortete, betrachtet Vogt nicht als Lernfortschritt. Im Gegenteil, er sieht dies als Rückfall in eine als mindestens bei den GRÜNEN überwunden geglaubte unselige Zeit. Die Menschheit müsse und könne lernen, Konflikte gewaltfrei auszutragen. Dass das möglich ist, zeigten die von ihm miterlebten und zum Teil mitgestalteten Erfolge gewaltfreier Konfliktlösung.
Aber es müsse noch sehr viel getan werden, um Alternativen zum Militärischen zu entwickeln. Dazu gehöre die massive Förderung des Zivilen Friedensdienstes. Darunter verstehe man die Ausbildung von Friedensfachkräften, die als Berater und Mediatoren so frühzeitig in Konfliktgebiete entsandt werden, dass dort noch Chancen bestehen, Konflikte ohne Gewalt beizulegen. Vogt verglich diese „Institution im Wachsen“ mit den Erneuerbaren Energien. Weil die nach Fukushima bereits so stark entwickelt waren, sei es möglich gewesen, den Ausstieg aus der lebensgefährlichen Atomenergie zu beschließen.
Abrüstung, Konversion und zivile Konfliktbearbeitung seien, sobald sie hinreichend entwickelt seien, die Instrumente, mit denen der Ausstieg aus Rüstung und Militär bewältigt werden könne. Im übrigen setzt er auf die Verpolizeilichung des Militärischen weltweit. An die Stelle der Vernichtung des Gegners oder Störers tritt dabei die Sanktion unter strenger Beachtung der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Für all das lohne es sich, nach besten Kräften zu streiten, auch für Leute “in der Endspielzeit ihres Lebens“, fügte der 71-jährige Zeitzeuge hinzu. Der Widerstand der GRÜNEN von Kaiserslautern Stadt und Land sowie der „Bürgerinitiative gegen Fluglärm“ gegen unverantwortliche Militärprojekte seien für ihn eine starke Ermutigung, so Vogt nach lebhafter Diskussion mit den rund 40 Gästen des Zeitzeugengesprächs.
„Leben heißt hoffen. Wir können viel erreichen durch eigenen Einsatz – aber der Rest ist Gnade“, fasste er – frei nach Martin Luther - seine politischen Lebenserfahrungen zusammen. Und wer könnte da einem widersprechen, der in Kaiserslautern 1984 mit dem Projekt Regionale Konversion begonnen hat und noch nicht einmal 10 Jahre später im Kernland der ehemaligen DDR helfen konnte, die Konversion einstiger Militärflächen von der Größe des Saarlandes zivil umzuwandeln?
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